Heimat- und Volkstrachten im Trachtengau Niederbayern
Liebe Trachtlerinnen und Trachtler,
der Sachausschuss Trachtenforschung Trachtenpflege des Gaues Niederbayern gibt einen kleinen Einblick in die Entstehung der Trachtengeschichte:
Einen eingehenden Grundriss gibt uns Hans Karlinger unter dem Titel“ Die bairischen Bauerntrachen, Beiträge zu ihrer Geschichte in den Bayerischen Heften für Volkskunde vom Jahr 1918. Hier einige Auszüge:
Volkstracht ist ein vieldeutiger und schwer zu umschreibender Begriff, dessen Fassung davon abhängt, was unter Volk verstanden werden will. Kleinbürger, Arbeiter, Bauern stellen das Kontingent des Volkes, von deren Tracht jetzt die Rede sein soll.
Die Bauerntracht vergangener Zeit bildet relativ den abgeschlossen Teil des Kapitels Volkstracht. Der Bürger und Arbeiter steht mehr oder einiger unter dem Zunftbann städtischer Verordnungen. Der Bauernstand hebt sich ihnen gegenüber jederzeit bis in das 19. Jahrhundert schärfer ab. Die nachfolgenden Beiträge zur Geschichte der Bairischen Bauerntrachten sollen versuchen, die Trachtengruppen der Baiern, Franken und Schwaben innerhalb der heutigen politischen Begrenzung des Königreichs Baiern aufzuzählen. Die Trachtenkunde zeigt die Bedeutung der Territorialgeschichte für kulturelle Entwicklungen im ganzen Volk. Der Bauer in der Umgebung größerer Städte zeigt, besonders im 18. Jahrhundert, viel stärker das Bedürfnis, in seiner Kleidung vom Städter unterschieden zu werden. Die bäuerliche Tracht des 18. Jahrhunderts ist mit ihren Ausläufern die auffallendste Verkörperung ständischer Eigenschaften am Wesen der Tracht überhaupt. Sie ist die Blütezeit der geschichtlich verfolgbaren Trachtenkunde der lokalen Unterschiede von Gau zu Gau.
Es gibt z.B. keine Rottalertracht als solche, sondern nur eine Rottalertracht vom Anfang des 19. Jahrhunderts. In keinem Landstrich Baierns- wie im ganzen übrigen Deutschen Reich – hat sich irgendeine Tracht unverändert durch Jahrhunderte erhalten, selbst kaum ein Stück einer solchen.
Die verwirrende Buntheit, die uns die Trachtenkunde der ländlichen Gebiete etwa um 1830 aufzeigt, hat die moderne Forschung teilweise zu der Annahme geführt, es habe vor dem 17. Jahrhundert überhaupt keine Volkstracht gegeben. Zu Unrecht. Trachtenunterschiede zwischen den Bauern einzelner Länder waren auch früher da, nur waren die Unterschiede im Mittelalter nicht so groß wie in späterer Zeit. Stand und Tracht verhielten sich in ihrer Entwicklung zueinander entgegengesetzt. Den geschichtlichen Beweis dafür geben die Kleiderordnungen. Mit der Auflockerung der rechtlichen Abgeschlossenheit zwischen Bürger und Bauern entsteht für die Tracht die Möglichkeit gegenseitiger Berührungen. Was die Aufmerksamkeit auf die Bauerntracht lenkte ist nicht der Zuschnitt oder die Farbe der Kleidung, als der Ausdruck des Unterscheidungswillens, der in der Tracht im Ganzen zum Ausdruck kommt. Mit anderen Worten, das repräsentative Element. Die Hinneigung zum Besonderen, Originellen ist jeder echten Tracht eigen, auch sie ist eine Mode, aber nicht der Zeit, sondern des Ortes. Die wechselnden Formen der großen Mode gehen an der Tracht nicht vorüber, aber – das ist das Wesentliche – sie werden durch die Tracht gefärbt. Alle Trachtengruppen machen in gewisser Weise seit dem 17. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die großen Moden mit, aber nur sehr bedingt. Eine rein geographische Zerlegung, etwa nach Gebirgsgegenden und Flachland, lässt sich für ganz Baiern nicht durchführen. Wohl aber kann ein rein geographisches Merkmal, das Zusammenhaltende der Flusstäler, ab und zu für die Gruppierung sozusagen die Überschrift abgeben.
Sachgebietsleiterin Trachtenforschung – Trachtenpflege
Maria Fischl
Das „Historische Eck“